BGH stärkt Verbraucherrechte: Neuwagenkäufer:innen können 10 Jahre lang Schadensersatz verlangen

Abgasskandal

BGH stärkt Verbraucherrechte: Neuwagenkäufer:innen können 10 Jahre lang Schadensersatz verlangen

Dienstag, 22. Februar 2022

Der BGH hat am 21. Februar 2022 (Az. VIa ZR 8/21 und VIa ZR 57/21) die Rechte von Neuwagenkäufer:innen im Abgasskandal entscheidend gestärkt.

Das oberste deutsche Zivilgericht erkannte Neuwagenkäufer:innen eines vom Abgasskandal betroffenen Wagens einen so genannten Restschadensersatzanspruch zu. Dieser verjährt  erst nach zehn Jahren, anders als der bisher regelmäßig geltend gemachte "Regelschadensersatzanspruch", der bereits nach drei Jahren verjährt.

Damit können insbesondere Neuwagenkäufer:innen eines VW-Kfz mit dem Motormodell EA 189, gegen die der Konzern immer wieder das Argument vorgebracht hatte, dass ihre Ansprüche verjährt seien, in vielen Fällen weiter Schadensersatz gegenüber dem Konzern geltend machen. Aber auch für das Nachfolgemodell des "klassischen Skandalmotors" EA 189, den EA 288, haben sich damit die Erfolgaussichten verbessert.

Ähnliches gilt etwa für die Motoren EA 896/897, die in vielen hochpreisigen Audi- und Porsche-Fahrzeugen verbaut worden sind.

Aber auch für Käufer von Autos anderer Hersteller, wie Mercedes-Benz mit beispielweise den Motormodellen OM 651 und OM 642, haben sich die Aussichten damit verbessert.

Auch bei dem immer größere Kreise ziehenden Wohnmobil-Abgasskandal, bei dem die betroffene Wohnmobile häufig auf einem Fiat Iveco basieren, können die Verbraucher:innen nunmehr weit länger als bisher ihren Schadensersatzanspruch soweit erforderlich auch gerichtlich geltend machen.

Damit hat der eigens als "Spezialabteilung" für den Abgasskandal gebildete VIa. Senat den Verbraucher:innen in vielen Fällen wichtige Zeit verschafft.

Bisher ist es regelmäßig so, dass die Konzerne jahrelang und mitunter recht erfolgsversprechend "mauern" und zunächst gebetsmühlenartig behaupten, dass es in ihren Fahrzeugen überhaupt keine unzulässige Abgassteuerungsmechanismen gäbe.

Die nächste Stufe besteht dann darin, dass behauptet wird, dass die Rechtslage so kompliziert und unübersichtlich sei, dass man nicht habe erkennen können, dass eine verbaute Abschalteinrichtung unzulässig ist - selbst wenn diese wunderbarerweise etwa genau auf den zeitlichen Rahmen einer Messung auf einem Prüfstand abgestimmt ist.

Danach wird dann gerne behauptet, dass die verbauten und offensichtlich illegalen Abgasssteuerungen die Idee einer kleinen Gruppe von Mitarbeiter:innen gewesen seien, der Vorstand - auf dessen Kenntnis es rechtlich für den Schadensersatzanspruch ankomme - habe davon selbstverständlich keine Kenntnis gehabt.

Das Ergebnis dieser jahrelangen Verteidigungsstrategie ist etwa beim VW-Konzern, dass dieser nunmehr selbst die damals verantwortlichen VW- und Audi-Chefs auf Schadensersatzanspruch in Anspruch nimmt.

Gegen diverse Vorstands- und Aufsichtratsmitglieder wurde auch strafrechtlich ermittelt, ein Audi-Chef sass sogar in U-Haft. Die Verfahren wurden teilweise gegen Zahlung einer Summe in Millionenhöhe eingestellt.

Durch diese  - wie dargestellt teilweise äußerst kostpielige - Strategie können die Autokonzerne leider in eine Reihe von Fällen erreichen, dass die "normalen" Schadensersatzansprüche von Skandalautobesitzer:innen verjähren. Für die Verjährung kommt es nämlich darauf an, wann von einer Kenntnis der Verbraucher:innen auszugehen ist.

Viele Gerichte zogen für den Beginn der Verjährung leider die Veröffentlichung einer so genannten Ad-hoc-Mitteilung des VW-Konzern aus September 2015 heran. Abgesehen davon, dass die wenigsten Verbraucher:innen solche, nach börsenrechtlichen Vorschriften verpflichtende und oft in butterweicher Marketing-Sprache verfassten Meldungen lesen dürften, wissen wahrscheinlich auch die wenigsten Autofahrer:innen, was für eine Konzernbezeichnung der Motor hat, der in ihrem Wagen verbaut ist. Dennoch ist eine solche Rechtsprechung, auch wenn sie nicht überzeugend ist, natürlich bei der Durchsetzung der Interessen zu beachten.

Durch die jahrelange Salamischeiben-Taktik ist es den Konzernen bisher gelungen, die Ansprüche vieler Verbraucher:innen in die Verjährung laufen zu lassen.

Für den oben genannten VW-Skandalmotor EA 189 trat die Verjährung nämlich nach Ansicht vieler Gerichte - aufgrund der Mitteilung aus September 2015  - zum Ablauf des 31. Dezember 2018 (= Ende des Jahres 2015 + drei Jahre) ein - wenn bis dahin keine Klage erhoben worden war.

Das hatte zur Folge, dass viele Verbraucher:innen, denen die Erkenntnisse auf Verbraucherseite bis Ende 2018 nicht ausreichend für eine Klage erschienen oder die sich zum Beispiel aus finanziellen Gründen gegen eine Klage entschieden,  ab Anfang 2019 damit auseinandersetzen mussten, dass ihre Ansprüche möglicherweise verjährt waren.

Die Entscheidungen des Spezialsenats des BGH verschaffen diesen Verbraucher:innen wiederum Hoffnung. Aber auch für die Käufer:innen von Kfz oder auch von Wohnmobilen anderer Hersteller, bei denen sich die Sachverhaltsaufklärung bisweilen schwierig und langwierig gestaltet, sind die Aussichten damit deutlich gestiegen.

Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass dies nur für Neuwagenkäufer:innen gilt. Für die Käufer:innen von Gebrauchtwagen hat der BGH leider vor einigen Wochen entschieden, dass der so genannte Restschadensersatzanspruch nicht geltend gemacht werden kann.

Alle Neuwagenkäufer:innen, deren Fahrzeug vom Abgasskandal betroffen ist und die ihr Fahrzeug ab Februar 2012 oder später gekauft haben, können daher weiter einen Schadensersatzanspruch geltend machen. Auch wenn Sie das Fahrzeug bereits weiterverkauft haben, können Sie nach der aktuellen BGH-Rechtsprechung dennoch einen Schaden geltend machen.

Nur für EA-189-Käufer:innen gilt (leider), dass diese das Kfz vor dem 22. September 2015 gekauft haben müssen, da die Rechtsprechung sonst davon ausgeht, dass Verbraucher:innen gebannt die Ad-Hoc-Mitteilungen von Autokonzernen verfolgen und daher Kenntnis der entsprechenden VW-Mitteilung aus September 2015 hatten (und auch gleich wussten, dass in ihrem VW Sharan o.ä.  ein Motor vom Modell EA 189 verbaut wurde).

Außerdem hat der Autokonzern einen Anspruch auf Nutzungsentschädigung für die seit Kauf mit dem Fahrzeug zurückgelegten Kilometer, sozusagen ein "Kilometergeld".

Sie möchten wissen, ob auch Ihnen ein Schadensersatzanspruch wegen des Abgasskandals zusteht?

Gerne prüfen wir Ihre Angelegenheit im Rahmen einer kostenlosen und schriftlichen Ersteinschätzung.

Wir verfügen über eine jahrzehntelange fachanwaltliche Berufserfahrung und sind im Abgasskandal ausschließlich auf Verbraucherseite tätig.

Bei uns haben Sie einen direkten Kontakt zu den Rechtsanwält:innen, wir arbeiten nicht mit einem Callcenter.

Bei Interesse können Sie gerne per Mail, per Formular oder telefonisch Kontakt mit uns aufnehmen. Sie erhalten nach Durchsicht der Unterlagen eine kostenlose, schriftliche Ersteinschätzung.

 

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